Paläanthropinen

Paläanthropinen
Paläanthropinen
 
[zu griechisch ánthrōpos »Mensch«], Singular Paläanthropine der, -n, Altmenschen, überholte Bezeichnung für die Menschengruppe, die im Mittelpaläolithikum (Altsteinzeit) hauptsächlich in Westeuropa und Nordafrika gelebt hat. Inzwischen werden diese Funde (unter Einschluss auch der asiatischen Funde) unter dem Begriff »archaischer Homo sapiens« zusammengefasst. Der ursprünglich auch gebräuchliche Begriff »Neandertaler im weiteren Sinn« ist ebenfalls veraltet. Die Bezeichnung Neandertaler wird heute auf eine europäische und vorderasiatische Spätform des archaischen Homo sapiens beschränkt.
 
Zur klassischen Paläanthropinenform gehören außer dem in Deutschland gemachten Fund aus dem Neandertal u. a. in Belgien die Funde von Spy, in Frankreich die Funde von Le Moustier, La Chapelle-aux-Saints und La Ferrassie, in Kroatien von Krapina, in Italien von Monte Circeo, auf der Iberischen Halbinsel von Bañolas und Gibraltar, in der Tschechischen Republik von Šipka. - Die wichtigsten außereuropäischen Paläanthropinenfunde wurden in Sambia und im südlichen Afrika (Rhodesiamensch) sowie auf Java (Solomensch) gemacht.
 
Für die Theorie der Abstammung des Menschen interessanter als die klassischen Neandertaler sind Funde schon aus der letzten Zwischeneiszeit (Riß-Würm-Interglazial). Hier zeigen etwa die Fossilien von Ehringsdorf bereits die dem Sapiens-Typ näher stehenden Merkmale. Dagegen scheinen die beiden Schädel von Saccopastore bei Rom mehr in der direkten Linie zum klassischen Neandertaler zu liegen. Der vielleicht eindrucksvollste Schädel eines archaischen Homo sapiens in Europa wurde in einer kleinen Höhle bei Petralona in der Nähe von Saloniki gefunden; er ist fast vollständig erhalten und zeigt neben ausgeprägtem Überaugenwulst und mächtigem Oberkiefer (ohne morphologisch direkt »primitiv« zu sein) im Unterschied zu anderen europäischen Funden eine stark abgewinkelte Hinterhauptschuppe, was an die Verhältnisse beim Rhodesia- und Solomenschen erinnert.
 
Aus der vorletzten Zwischeneiszeit (Mindel-Riß-Interglazial) stammt der 1949 gefundene Unterkiefer von Montmaurin in Frankreich. Aufgrund seiner Struktur - v. a. an der Verbindungsstelle zwischen den beiden Kieferhälften - ist anzunehmen, dass er eine Art »Bindeglied« zwischen dem Heidelbergmenschen und dem Homo sapiens darstellt. Vom gleichen Typ sind offenbar auch die Schädel von Swanscombe unweit von London und der besser erhaltene Schädel des Steinheimmenschen, der trotz durchlaufenden Überaugenwulstes dem unspezialisierten Sapiens-sapiens-Typ wiederum ähnlicher ist als dem klassischen Neandertaler.
 
Prägnante morphologische Merkmale des archaischen Homo sapiens, dessen massiges Skelett leichte Krümmungen der Arm- und Schenkelknochen aufweist, sind neben dem Überaugenwulst v. a. eine kleine Stirnpartie (unter der die Zentren für Sprache und Denkvorgänge liegen, was die relativ geringen geistigen Fähigkeiten der Paläanthropinen erklärt), bei verhältnismäßig großem Kopf und lang ausgezogenem, »kegelförmigem« Hinterhaupt, des Weiteren ein vergleichsweise grobes Gebiss und ein kaum entwickeltes, »fliehendes« Kinn.

Universal-Lexikon. 2012.

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